Edle Tropfen

Wie wichtig ist Wassersparen, auch jetzt im Winter?
Eine Tiefen-Recherche in Ansbach und Umgebung

Bild von Füßen die kaum das Wasser erreichen
Das Freibad des Aquella hat im Winter geschlossen. Ein Teil des Wassers wird abgelassen

In diesem Sommer mussten die Deutschen Wasser sparen. Dabei hat Deutschland traditionell nicht zu wenig Wasser, anders als Spanien oder Kalifornien. In den vergangenen Sommern wurde es aber so heiß, dass teilweise das Wasser knapp wurde, zahlreiche Gemeinden erließen Verbote: Rasensprenger mussten ausgeschaltet bleiben, Pools durften nicht mehr befüllt, Autos nicht mehr mit Leitungswasser gewaschen werden.
Dürren in einzelnen Regionen in Deutschland, „das geht nicht wieder weg“, sagte die Bundesumweltministerin Steffi Lemke im Oktober. Aber was bedeutet das? 117 Liter Trinkwasser verbraucht durchschnittlich jeder Einwohner, den die Stadtwerke Ansbach versorgen, täglich. Soll man an diesen 117 Liter sparen, indem man zum Beispiel kürzer duscht oder im Garten Regenwasser sammelt?

Wenn Winfried Kretschmann, Ministerpräsident von Baden-Württemberg, den Waschlappen anstelle der Dusche empfiehlt, hat das den Hintergrund, warmes Wasser einzusparen. Es geht dabei um den Energieaufwand. Aber was ist mit der Ressource Wasser an sich? Direkt morgens drehen wir den Hahn auf. Zähneputzen, Duschen, die Toilette spülen. Später gießen wir die
Blumen, kochen Mittagessen. Einen Knopf an der Spülmaschine gedrückt und wir hören das beruhigende Gluckern des Wassers, wie es sich seinen Weg durch die Rohre zu unserem schmutzigen Geschirr bahnt.
Seit 1990 gab es in Deutschland bereits einen Rückgang im Pro-Kopf Trinkwasserverbrauch von 147 auf 125 Liter im Jahr 2019. Der Grund dafür ist der Einsatz von wassersparenden Armaturen, Toilettenspülungen und Haushaltsgeräten. Auch ein gestiegenes Umweltbewusstsein soll dazu beigetragen haben. Das Problem dabei ist, dass die Rohre teilweise zu groß sind, weil Experten von einem Anstieg des Verbrauchs ausgingen. So war lange Zeit ein Narrativ verbreitet, die Endkunden dürften nicht zu wenig Wasser verbrauchen, weil sonst die Rohre nicht richtig durchgespült würden. Denn wenn das so sei, könne in den Rohren nicht nur schädliche Klimagase entstehen, auch könnte es stinken in den Städten und die Rohre könnten korrodieren.
Tatsächlich können wir uns aber laut Bundesumweltamt von diesem Narrativ getrost verabschieden: Die Wasserversorger müssen die Rohre sowieso hin und wieder spülen, ganz unabhängig davon, ob viel oder wenig verbraucht werde.
Von dieser Seite spricht also nichts dagegen, Wasser zu sparen. Das Umweltbundesamt jedoch schreibt in der Veröffentlichung „Wassersparen in Privathaushalten: sinnvoll, ausgereizt, übertrieben?“ aus dem Jahr 2014, dass keine riesigen Mengen Wasser eingespart würden, wenn sich das Verhalten der Privatleute in Deutschland ändert. Im Jahr 2016 betrug ihr Anteil am gesamten Wassereinsatz laut Statistischem Bundesamt nur elf Prozent. Die anderen 89 Prozent verbrauchen vor allem die Industrie und Kraftwerke.

Ist es also okay, zuhause nicht zu sparen, weil die Industrie viel mehr Wasser verbraucht? Anruf in Traunstein, bei Christian Rutkowski, Mitglied der Arbeitsgruppe für Grund- und Trinkwasser des Bund Naturschutz. Rutkowski sagt, dass nicht die Zeit sei, immer auf den anderen zu zeigen und zu sagen: Der verschwendet doch noch mehr Wasser als ich. „Das ist der beste Weg, dass gar nichts passiert. Wenn jeder ein Bewusstsein entwickelt und ein Umdenken in Gang setzt, kann das insgesamt funktionieren.“ Rutkowski spricht vom Bewusstsein, das sich entwickeln soll. Offenbar ist das für Wasser nicht ausgeprägt genug. Kaum jemand weiß ja, wo genau sein Trinkwasser überhaupt herkommt. Wie soll man dann ein Bewusstsein dafür haben?
Ein Besuch im Wasserwerk der Stadtwerke Ansbach. Thomas Körber ist hier verantwortlich für den Grundwasserschutz. Er redet zum Beispiel mit Landwirten darüber, was sie tun müssen, um das Grundwasser nicht zu gefährden. Körber erklärt, dass in Ansbach jeder einzelne Liter Trinkwasser aus dem Grundwasser kommt.
Deutschlandweit sind es 70 Prozent, der Rest kommt aus Flüssen und Seen. Grundwasser stammt größtenteils aus Niederschlag, der versickert. Es befindet sich in Hohlräumen unter der Erde und tritt nur in Quellen an die Oberfläche. Oder, wenn es mit Pumpen nach oben gefördert wird. Um die Ansbacher mit Trinkwasser zu versorgen, betreiben die Stadtwerke zehn Brunnen in Schlauersbach und nutzen zwölf Brunnen sowie drei Quellen in Gersbach. Nicht jeder, der in Ansbach den Wasserhahn aufdreht, weiß das. Und ohne dieses Wissen gibt es wohl auch kein Bewusstsein.
Auf einem Hügel über Gersbach, einem Gemeindeteil von Mitteleschenbach, liegt das Wasserwerk. Umgeben ist es von Wiesen und Feldern, eine Landstraße führt vorbei. Von außen ist es ein unscheinbares Gebäude aus roten Backsteinen. Den Innenraum erfüllt ein Dröhnen. Es kommt von Motoren, die die Pumpen antreiben, die das Wasser durch Rohre nach Ansbach befördern. Zuvor wird das Wasser hier aufbereitet, zuerst Eisen und Mangan rausgefiltert, erklärt Thomas Körber. Er steht vor zwei mehrere Meter hohen Behältern. Anschließend wird das Wasser entsäuert. Mit einer kleinen Menge Chlor angereichert verteilen es die Stadtwerke über die Rohre an die Kunden.
Es ist beeindruckend, wie wenige Schritte nötig sind, um das Wasser aus der Erde trinkbar zu machen. Ansbacher beziehen schon seit mehr als hundert Jahren Wasser aus Gersbach. Vielleicht haben sich die Menschen daran gewöhnt, dass es jederzeit sehr viel, scheinbar unendlich viel Wasser gibt. Vielleicht ging so die Wertschätzung für das Trinkwasser verloren.
Aber Trinkwasser ist endlich, auch das, das aus dem Grundwasser stammt. Man kann sich das Grundwasser im Boden vorstellen wie einen gigantischen Tank, der mal voller ist und mal leerer. Im Sommer wird er leerer, im Winter wieder voller. Klimaprognosen besagen, dass es auf lange Sicht weniger Regen gibt im Sommer. Zwar prognostizieren Wissenschaftler auch die Zunahme von Niederschlägen im Winter. Doch kann dieser Regen im Winter oft nicht versickern, weil die Böden gefroren sind oder schon so feucht, so dass sie nicht noch mehr Wasser aufnehmen können.
Auch im Sommer kann es passieren, dass das Regenwasser nicht bis zum Grundwasser gelangt. Regen, der immer häufiger als Starkregen fällt, fließt dann oberirdisch ab, anstatt zu versickern. Noch eine Folge des Klimawandels: Es verdunstet mehr Wasser. Es geht also nicht in den Boden, sondern in die Atmosphäre.
Die Konsequenzen seien bereits zu spüren, sagt Christian Rutkowski vom Bund Naturschutz, der Mann, der ein neues Bewusstsein für das Wasser gefordert hatte. „Es gibt große Bereiche in Franken, in denen seit Jahren keine Grundwasserneubildung mehr stattfindet“, sagt er. Grundwasserneubildung, das bedeutet, dass sich der imaginäre Tank wieder füllt, durch Regen vor allem. „Wir leben an vielen Stellen davon, was früher entstanden ist“, sagt Rutkowski. Zahlreiche Messstationen in Mittelfranken wie in ganz Bayern zeigen bereits sehr niedrige Grundwasserstände an. In einigen Bereichen gebe es historische Tiefstände, sagt Rutkowski.Ist das auch in Ansbach der Fall? Ein Anruf, wieder bei den Stadtwerken Ansbach, diesmal bei Robert Hlava, er ist der Leiter im Vertrieb. Er sagt, in Ansbach gebe es keine Engpässe in der Versorgung. Aber selbst wenn es in Ansbach heute noch keine Knappheit gibt, auch im Sommer nicht, scheint Wasser sparen geboten. Schließlich gibt es den Klimawandel, der eine nachhaltige Versorgung auch in Deutschland unsicher macht.

Die Frage ist aber: Sparen Verbraucher am besten an den 117 Litern am Tag, die durch die Trinkwasserleitung kommen? Alle Produkte, die wir kaufen, Brot, Wurst, Smartphones, Klamotten, sie alle benötigen für die Herstellung Wasser. Auf diese Weise verbraucht jeder Deutsche täglich je nach Berechnungsweise zwischen 3900 und 7200 Litern. Also mindestens das 30-fache des direkten Verbrauchs. Wer viel Wasser sparen will, spart besser beim Einkaufen. Zum Beispiel, indem er nicht so viel Brot kauft, das er am Ende zur Hälfte wegwirft. Ein Kilo weggeworfenes Brot oder nur 100 Gramm weggeworfener Käse bedeuten 600 Liter verschwendetes Wasser.

Also einfach beim Konsum Wasser sparen und nicht am Wasserhahn? Rutkowski vom Bund Naturschutz sieht es anders. Das hat wieder mit dem Bewusstsein zu tun. „Wo ich Wasser ganz unmittelbar als Lebensmittel wahrnehme, ist es einfacher, ein Bewusstsein zu entwickeln als da, wo ich es nur indirekt sehe“, sagt er. Wasser, das in einem Brot steckt, sieht der Käufer nicht. Genauso wenig wie das Wasser im Boden.
Rutkowski empfiehlt also doch, zu sparen. Aber wie kriegt man das hin? Eine Möglichkeit sind moderne Wasch- und Spülmaschinen. So kann laut Umweltbundesamt Wasser gespart werden, und hygienisch sind sie trotzdem immer noch. Autos sollten anstatt zu Hause in einer Waschanlage geputzt werden. Auch Regentonnen im Garten sind eine Idee. Fortgeschrittene Wassersparer nutzen das Regenwasser zum Spülen der Toilette.
Richtig viel Geld wird man damit nicht sparen. Ansbacher Bürgerinnen und Bürger zahlen in diesem Jahr 2,99 Euro pro Kubikmeter Trinkwasser. Das ist mehr als der Durchschnitt in Bayern, der lag 2019 bei 1,65 Euro. Doch da im Haushalt grundsätzlich keine riesigen Mengen Wasser verbraucht werden, ist auch das Einsparpotential bei den Kosten gering. Wer jeden Tag 10 Liter Wasser spart, indem er einen Eimer Regenwasser zum Klospülen ins Haus trägt, würde am Ende des Monats nur 90 Cent weniger am reinen Trinkwasserpreis bezahlen.
Das Wasser, das in Konsumprodukten steckt, ist sogar noch günstiger als Trinkwasser aus dem Hahn. Zumindest, wenn die Firmen das Wasser selbst entnehmen. In Bayern zahlt die Industrie, die nicht an die öffentliche Wasserversorgung angeschlossen ist, gar keine Gebühren für das Wasser, das sie aus Grundwasser, Seen und Flüssen bezieht. Wasser, so scheint es, ist zu günstig, jedenfalls zu günstig, um wegen des Geldes Wasser zu sparen.
Was bleibt also als Antwort auf die Frage? Es kann nicht schaden, Wasser zu sparen, auch wenn es jetzt noch nicht bitter nötig ist, jedenfalls nicht in Ansbach. Auch wichtig ist das indirekte Wassersparen über den Konsum. Und alles wird noch viel wichtiger, je heißer die nächsten Sommer werden.
Neben Privatpersonen muss vor allem die Industrie ihren Wasserverbrauch reduzieren. Die Versorgung mit Trinkwasser müsse auch für künftige Generationen gesichert werden, wird Detlef Fischer, Geschäftsführer des Verbands der Bayerischen Energie- und Wasserwirtschaft in einer Pressemitteilung zitiert. Das gemeinsame Ziel müsse eine nachhaltige Nutzung der Wasserressourcen sein, im privaten Bereich, aber vor allem auch in der Landwirtschaft und der Industrie.

Im niederschlagsarmen Mittelfranken ist das Grundwasser schon weniger geworden. Der Bayerische Staatsminister für Umwelt und Verbraucherschutz, Thorsten Glauber, will mit der Regierungserklärung „Wasserzukunft in Bayern 2050“ die Versorgung sicherstellen. Das klingt beruhigend. Dafür will er unter anderem Fernwasserleitungen bauen, wenn die Ressource an bestimmten Orten in Bayern knapp wird. Das klingt schon nicht mehr ganz so beruhigend. Das Problem in ein anderes Gebiet zu verlagern, klingt nicht nach der Lösung.

 

Autorin: Malina Dittrich, Foto: Lea Hofmann, Grafik: Jana Bresch